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Deep Sky auf Seite 1

Jens Bohle

Mein Beobachtungsziel, und zugleich Gegenstand dieses Berichts, ist die Beobachtung aller Objekte auf Seite eins der Uranometria 2000.0, dem Standardkartenwerk für viele Hobbyastronomen. Zur Unterstützung kam ergänzend der Deep Sky Field Guide (DSFG) hinzu. Bei den Objekten handelt es sich um sieben Galaxien und um einen offenen Sternhaufen welche auf Seite eins abgebildet sind. Laut DSFG sind unter der Rubrik Notes noch zwei weitere Galaxien aufgeführt, deren Position ich nachträglich auf der Karte eingezeichnet habe, macht also summa summarum neun Galaxien auf Seite eins. Die Beobachtungen wurden hauptsächlich  mit meinem 500/2250 mm Newton (Obsession 20"/f 4.5) durchgeführt, jedoch sollten die Objekte auch  kleineren Instrumenten zugänglich sein, was angesichts der Helligkeiten der Objekte logisch erscheint. Da alle Objekte in der näheren Umgebung des Himmelspols zu finden sind, ist die Beobachtung zu jeder Jahreszeit möglich.

Beginnen möchte ich mit dem einzigen Sternhaufen meiner Sky-Tour auf Seite eins der Uranometria. Es handelt sich um NGC 188 im Cepheus, einem der ältesten Vertreter seiner Art. Sein hohes Alter von mehreren Milliarden Jahren verdankt er seiner hohen Konzentration und dem damit verbundenen starken Gravitationsfeld welches den Auflösungstendenzen entgegenwirkt. Im DSFG ist der Typ mit II 2 r angegeben. Dies weist auf einen Haufen hoher Konzentration mit vielen Sternen  bei gleichmäßiger Helligkeitsstreuung hin. Die hellsten seiner 120 Haufenmitglieder sind etwa 12ter Größe und auf eine Ausdehnung von 13 Bogenminuten verteilt. In der ersten "Seite Eins- Nacht" vom 12. zum 13. Juli 1997, also in einer hellen Nacht, rückte ich ihm erstmals auf den "Pelz". Mit der Himmelsaufhellung, die ich in dieser Nacht bis zum Polarstern verfolgte, konnte ich angesichts der Natur des Objekts leben. Die Grenzgröße am Pol bestimmte ich zu 5,5 mag.

Das Aufsuchen des OCs, ein simples Alignement, geschah mit dem Telrad. Ausgehend von dem Stern 2 Umi ein Grad in Richtung Alrai im Cepheus schwenken. Mit dieser Methode zentrierte sich das Objekt in meinem 48 Bogenminuten messenden Himmelsausschnitt zügig. Bei diesem Gesichtsfeld beobachte ich mit 83- facher Vergrößerung und 6mm AP. Die konzentrierte, rundliche Form ist sehr auffällig, ebenso die gleichmäßige Helligkeitsverteilung der Sterne. Bei höheren Vergrößerungen werden naturgemäß immer mehr Sterne sichtbar, dennoch bleibt ein diffuser Hintergrund aus schwächeren Sternen erhalten. Im Zentrum des Haufens sind zwei eng beieinander stehende Sterne auffällig, die aber auch bei "high power" (600fach) nicht eindeutig trennbar waren (Luftunruhe). Der Sternhaufen zeigte sich trotz der Hintergrundhelligkeit bei 83-fach subjektiv am schönsten. NGC 188 ist auch schon ein Objekt für einen 3-Zöller, denn die Sichtung war in meinem  80/500 Sucher bei 24fach kein Problem, jedoch ohne Einzelsterne. Es zeigt sich eine flächenhafte Aufhellung in einer 8-9 mag Sternumgebung.

In meiner zweiten "Seite Eins- Nacht" Anfang August 1997 wurde zur ersten Galaxie meiner Beobachtungsreihe "geTelradelt". Es handelt sich um NGC 3172 in Ursa Minor, die auch als Polarissima Borealis aufgeführt wird. Sie ist die dem Himmelsnordpol am nächsten gelegene NGC Galaxie. Ihre Helligkeit beträgt 13,8mag, die scheinbare Helligkeit aufgrund der Abmessungen von 1,1x0,8 Bogenminuten geringfügig darüber. Eine Klassifizierung erscheint im DSFG nicht.

Die Suche begann ich wieder mit meinem 27er Panoptik um ein möglichst großes  Gesichtsfeld zu erzielen. Leider hatte die Galaxie etwas gegen das Panoptik und zeigte sich nicht, so wechselte ich zur kürzeren Brennweite. Jetzt hoffte ich mit dem 14er Pentax und 160-facher Vergrößerung die Galaxie aufzustöbern- mit Erfolg. Bei dieser Vergrößerung war sie dann kaum noch zu übersehen und offenbarte einen matten Schimmer mit diffuser Peripherie. Die angenehmste Vergrößerung stellte sich bei 214fach ein, da Polarissima nun vor einem schwarzen Hintergrund klar und deutlich stand. Als Besonderheit, speziell bei höheren Vergrößerungen, fiel mir ein markantes sternartiges Zentrum auf, welches aber nur blickweise erkennbar war. Mein Mitbeobachter bestätigte mir den Eindruck. Das sporadische Aufblitzen des Kerns erinnert an einen PN mit einem schwachen Zentralstern. Unter besseren Bedingungen werde ich der Sache nochmals auf den Grund gehen.

Da die nördlichste aller NGCs keine weiteren Überraschungen zu bieten hatte, schwenkte ich den Dobson in das Sternbild Cepheus, wo mich das wechselwirkende Galaxienpaar NGC 2300/2276 (Arp 114) erwartete.  Dort angekommen, konnte ich auch gleich eine dritte Galaxie, IC 455, aufspüren. Diese schwächere Sternenwelt ist aber kaum mehr als ein kompakter Schimmer, was angesichts der (photographischen)  Helligkeit von 14,3 mag  und einer Ausdehnung von 1,1 * 0,7 Bogenminuten wohl keine Enttäuschung sein sollte.

Doch jetzt zurück zu NGC 2300, welche mit 11,0 mag auch als hellste Galaxie auf Seite eins zu sehen ist. Laut  DSFG ist diese 3,2x 2,8 Bogenminuten große Galaxie lentikulären Typs. Sie zeigt also ein Äußeres, welches den elliptischen als auch den Spiralgalaxien ähnelt. Die genaue Definition SAO deutet aber auf eine Verwandtschaft zu den elliptischen Galaxien hin, zumal andere Quellen sie als E-Typ ausgeben. Es fällt aber nur ein markanter Kern auf, der von einem Halo umgeben ist. Auch bei längerer Beobachtung änderte sich daran nichts.

Die dritte "Seite Eins- Nacht" einige Tage später unter besseren Bedingungen an unserem Beobachtungsplatz im Sauerland, zeigte bei NGC 2300 & Co. leider auch nicht mehr. In dieser Nacht, 11.zum 12. August `97, beobachtete ich die Galaxie außer mir meinem Teleskop auch mit dem 200/800 mm Newton meines Mitbeobachters, der mir bei unseren gemeinsamen Beobachtungen immer sehr gerne seinen Achtzöller überlässt, um dann in der Zwischenzeit mit dem Obsession zu spechteln. Der Informationsgehalt der Beobachtung  mit dem 20 cm war in diesem Fall (wie so oft bei E-Typen) allerdings nicht weit vom 50 cm entfernt. Es blieb bei dem bereits beschriebenen Eindruck. Selbst auf langbelichteten Aufnahmen der Großteleskope (z.B. Aufnahmen aus dem DSS oder Aufnahme in T. Ferrie`s Galaxien) kann man nicht mehr Einzelheiten erkennen.

In unmittelbarer Nachbarschaft von NGC 2300 befindet NGC 2276. Die Klassifizierung erscheint im DSFG als SAB (rs) II - III. Auseinandergepflückt bedeutet dies, das wir es wieder mit einem "Zwitter" zwischen einer normalen Spiralgalaxie und einer Spirale mit Balkenansatz zu tun haben. Weil sich die Galaxie nicht entscheiden kann was sie eigentlich darstellt, ist das in Klammern gesetzte Kürzel rs dann auch nicht verwunderlich. In der Einteilung von de Vaucouleurs- Sandage bedeutet dies eine Mischung zwischen einem Spiralsystem in S- Form und einem eher ringförmigen System. Die nachgestellten römischen Ziffern sind dann noch ein Hinweis auf die Leuchtkraftklasse nach Sidney van den Bergh`s Klassifikation.

So, fehlt da noch was ? Ach ja, angeschaut habe mir die NGC 2276 vom Typ SAB (rs) II -III ja auch noch. Sie erschien mir bei allen Vergrößerungen rund bis oval und hat einen flächigeren Charakter als NGC 2300 und ist, trotz gleicher Flächenhelligkeit, subjektiv schwächer. Eine Verdichtung, oder andere Merkmale konnte ich nicht erkennen. Als störend bei der Betrachtung erwies sich ein dicht angrenzender 8mag Stern, der auf der Karte schon auffällig erscheint. Von der Spiralstruktur die auf  tiefen Fotografien sichtbar wird konnte ich nichts erkennen. Als erwähnenswert betrachte ich noch die Tatsache, daß um die Galaxiengruppe NGC 2300/2276 im Jahre 1993 durch  den Röntgensatteliten ROSAT eine gewaltige Gaswolke mit 1,3 Mio. Lichtjahren Durchmesser entdeckt wurde. Das Besondere an dieser Entdeckung war die Tatsache, daß das Gravitationspotential der immerhin 500 Mrd. Sonnenmassen schweren Wolke kaum ausreichen dürfte um diesen Komplex zusammenzuhalten. Dadurch entflammte erneut die Diskussion um das Vorhandensein von dunkler Materie. 

Als nächsten Kandidaten möchte ich die Galaxie NGC 1544 (ebenfalls im Cepheus) vorstellen. Sie zeigt sich  bei visueller 13,2ter Größe und zu 1,6 * 1,0 Bogenminuten dimensioniert. Unter Typ ist im DSFG nur ein S mit ? verzeichnet. Die Galaxie bildet mit den Sternen Polaris und 2 Umi ein nahezu gleichseitiges Dreieck, was die Lokalisation zum Kinderspiel macht. Bei schwacher Vergrößerung erwartet den Beobachter ein enges Sternpaar mit leicht versetztem Halo. Also Okularbrennweite runter und Vergrößerung rauf. Mein Mitbeobachter, der sich in jener Nacht mit dem Helixnebel im Achtzöller beschäftigte, lieh mir sein 10er Eudiaskopisches welches dann mit meiner Barlowlinse "frisiert" wurde.

Da wir in der zweiten Nachthälfte beobachteten und sich das Seeing stetig verbesserte, offenbarte die 450fache Vergrößerung ein brauchbares Plus an Information. Dank der erstklassigen Verarbeitung Dave Kriege`s Obsession Teleskope bereitet die Handnachführung meines gut 70 kg schweren Teleskops auch bei hohen Vergrößerungen keine Mühe, so daß ich die Galaxie ohne große Anstrengung betrachten konnte. Das Sternpaar zeigte sich nun bei 450fach getrennt und bekam "Nachwuchs" von einem dritten Stern. Die Galaxie ist aber dennoch kaum mehr als ein mattes Fleckchen von homogener Helligkeitsverteilung ohne erkennbare Elongation. Um eventuelle zusätzliche Details aufzuspüren wechselte ich das 10er Okular gegen ein 6.7 UWA, das sich ebenfalls im Sortiment meines Mitbeobachters befand. Doch zeigte das Aufstocken auf 700fach keine weiteren Erkenntnisse. Die nahende Morgendämmerung läutete das Ende meiner dritten "Seite Eins Nacht" ein.

Am 30.10.97 ging es nach längerer Pause in die vierte "Seite Eins Nacht ". Nach einem Astrourlaub und Beobachtungen unter einem Alpenhimmel, musste ich nun wieder den heimischen Himmel "ertragen". Da ich mal wieder mitten in der (Arbeits-) Woche beobachtete, konnte ich nur meinen Beobachtungsplatz am Oldendorfer Berg aufsuchen. Der einzige Vorteil an diesem Standort ist die kurze Anfahrt von nur 30 Minuten. Das Objekt NGC 2268 war die nächste Station meiner Sky- Tour. Diese helle Galaxie (11,5 mag visuell) in der Giraffe ist etwas detailreicher. Außer einem blassen Fleck offenbarte die Galaxie eine deutliche Ellipse welche Ost-West ausgerichtet ist. Ein sehr auffälliger, stellarer Kern rundet das Gesamtbild der Balkenspirale bei 214facher Vergrößerung ab. Auf jeden Fall ein Objekt für sechs bis acht Zoll Öffnung. Vom New General Catalogue zum Uppsala General Catalogue, bei dem die nächste Galaxie die Nummer 3522 trägt. UGC 3522 ist eine Spirale in der Giraffe und 14,2 mag hell (15 mag scheinbare Helligkeit). Somit ein Objekt für Teleskope ab ca. 10 bis 12 Zoll, je nach Erfahrung und Himmel. Mit meinem Teleskop bei 214fach erscheint sie eher hell und ist ost - west elongiert. Unterschiedliche Helligkeitsverteilungen waren nicht auszumachen.

Im Cepheus wartete dann das nächste Objekt welches allerdings nicht auf der Karte abgebildet ist. UGC 3715 steht 28 Bogenminuten nordwestlich von der bereits beschriebenen NGC 2276. Die Galaxie UGC 3715  ist länglich, diffus und in ein "Miniatur-Pegasusviereck" eingebettet. Ihre Daten, Helligkeit und Größe, sind der UGC 3522 sehr ähnlich. Es fällt mir schwer, diese kleinen Lichtflecke, die sich alle irgendwie ähneln, zu beschreiben ohne mich ständig wiederholen zu müssen, aber selbst mit 20 Zoll unter durchschnittlichen Bedingungen ist einfach nicht mehr herauszukitzeln (wenn überhaupt). Als Besonderheit nördlich von UGC 3715 kann ich nur eine anonyme Galaxie jenseits der Uranometria erwähnen. Diese schwache Galaxie, welche noch nicht einmal in den bekannten Computer- Sternkartenprogrammen erscheint, konnte ich erst anhand der POSS-Aufnahmen wiederfinden welche meine Beobachtung bestätigen. Kurze Beschreibung der Galaxie: Runde, schwache Aufhellung bei direktem sehen erkannt, nahe bei einem Doppelstern.

Die fünfte und letzte Eintragung in meinem "Deep Sky Seite Eins Logbuch " beschreibt die Galaxie IC 512. Die Beobachtung führte ich am ersten Dezember in den Abendstunden unter guten atmosphärischen Bedingungen, aber leider aufgehelltem Himmel, durch. Auch hier ist ein Sucher am Fernrohr überflüssig, denn das Objekt sollte sich allein mit dem Telrad in höchstens fünf Minuten lokalisieren lassen. Die 12,2 mag helle Galaxie im Sternbild Giraffe ist auch mit mittleren Öffnungen sicher nicht zu übersehen. Das 21er Pentax sollte als erstes Okular das Licht von IC 512 für mich bündeln. Die 107fache Vergrößerung zeigte die Galaxie als runden bis ovalen Lichtklecks mit einem hellen Zentralbereich der aber nicht sternförmig erschien. Der Zentralbereich nahm knapp die Hälfte des Gesamtdurchmessers der Sternenwelt ein. An diesem Eindruck änderten die 160fache und 214fache Vergrößerung nichts. Die Nacht erlaubte auch high Power Beobachtungen. So musste das 7er Pentax aus der Schachtel befreit werden. 321fach zeigte mir neben den bekannten Details noch eine mysteriöse Aufhellung an der Südflanke, welche aber nur blickweise hervortrat. Ich ließ mir den Eindruck von meinem Mitbeobachter Giovanni, der an diesem Abend „First-light“ für seinen selbstkonstruierten 13-Zöller feierte, bestätigen. Ich bat ihn einmal durch das Okular zu schauen und fragte ob ihm im Bild etwas auffiel. Da ich meine Mitbeobachter oft um diesen Gefallen bitte, wusste Giovanni sofort das er ziemlich genau hinschauen musste. "Ja da ‚ is noch was - so links". Auf diesen Satz hatte ich gewartet. Also war diese blickweise erkennbare Aufhellung keine Einbildung. Allerdings zeigte auch eine 432fache Vergrößerung keine weiteren Erkenntnisse. Die Natur der Aufhellung am äußersten Rand der Galaxiensüdseite konnte nicht erklärt werden und so hatte ich nach 45minütiger Beobachtung alle Einzelheiten erfasst. Am nächsten Tag wurde mir freundlicherweise eine Aufnahme von IC 512 aus dem POSS zur Verfügung gestellt. Anhand dieses Bildes lüftete sich das Geheimnis. An der beschriebenen Stelle befindet sich ein schwaches "Sternchen", nah am Außenbereich. Im Fernrohr entstand der den Eindruck als würde der Stern, den ich auf ca.16,5mag schätzte, die Peripherie berühren. Also kein spektakuläres Detail.

So, lieber Leser, das war mein Bericht. Zusammenfassend möchte ich nochmals erwähnen, daß die Beobachtungen fast alle unter mäßigen Himmel entstanden und das die Objekte auch für "Nicht 20 Zöller" durchaus erreichbar sind. Falls einer der Leser meine Sky- Tour "nachbeobachtet " würde es mich sehr freuen wenn er mir seine Ergebnisse mitteilt.

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