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NGC 6946-1447 , ein junger extragalaktischer Kugelsternhaufen

Jens Bohle

Kugelsternhaufen gelten allgemein als sehr alte Himmelsobjekte. Dies ist in unserer Milchstraße auch der Fall. Im folgenden Bericht möchte ich einen extragalaktischen Kugelsternhaufen vorstellen, der erst vor kurzer Zeit als solcher erkannt wurde und sich im Frühstadium seiner Entwicklung befindet. Ein Kugelsternhaufen dieser Art existiert in unserer Galaxie nicht. Erst seit relativ kurzer Zeit ist überhaupt bekannt, dass es solche Objekte im Kosmos gibt. Erstaunlicherweise ist NGC 6946-1447 hell genug, um ihn mit eigenen Augen im größeren Amateurteleskop visuell zu erfassen.

Erste Recherchen

NGC 6946 im Cepheus ist vielen Sternfreuden durch visuelle Beobachtungen als interessante, relativ große Galaxie bekannt. Mit kleinen Teleskopen oder sogar im Feldstecher ist sie schon als rundes, diffuses Objekt zu sehen [1]. Bei schlechter Durchsicht ist dies auch bei größeren Öffnungen der Fall, wo dann auch nur der hellere Zentralbereich dieser „face on“-Spirale zu sehen ist. Die deutlich geringere Flächenhelligkeit der Galaxie in den äußeren Bereichen ist dafür verantwortlich. Wer unter dunklem Landhimmel beobachtet, kann mit größerem Teleskop die Spiralstruktur erkennen und mehrere „Knoten“ in dieser Galaxie sehen [2]. Die hellste Verdichtung im Westteil der Galaxie erregte durch [3] erneut meine Aufmerksamkeit, zumal ich diese Aufhellung schon mehrfach visuell beobachten konnte. Die Astronomen nahmen bisher an, dass es sich bei diesem Knoten um eine der zahlreichen H II Regionen mit involvierten jungen Sternen handelt. Dies ist zum Teil richtig. Die recht neue Erkenntnis ist die Anwesenheit eines jungen massereichen und sehr leuchtkräftigen Sternhaufens innerhalb dieser Region. Dieser Sachverhalt ließ mich weitere Recherchen anhand der Profiliteratur anstellen und so erfuhr ich, dass es sich bei diesem Objekt um einen sogenannten jungen Kugelsternhaufen handelt . Andere Bezeichnungen für dies Objektgruppe sind Superstarcluster (SSC) oder auch Young Massive Cluster, kurz YMC genannt. Für diese relativ neue Objektgruppe interessiere ich mich schon seit einiger Zeit und konnte auch schon ein paar visuelle Beobachtungen ähnlicher Objekte in anderen Galaxien wie etwa NGC 1569, M 82 oder NGC 4449 durchführen [4] + [5] + [6]. Um so mehr war ich über die Entdeckung dieses Haufens erfreut, als ich bemerkte, dass dieses Objekt sogar visuell zugänglich sein würde.  

Das Objekt NGC 6946-1447

Bereits 1967 beschreibt Paul W. Hodge in [7] das Sternentstehungsgebiet um den cluster im westlichen Spiralarm. Er vermutet aufgrund einer auffälligen bogenförmigen Gasblase im Westteil einen „Super–Supernovarest“ ähnlich einem Objekt in der Großen Magellanschen Wolke (LMC III) welches ein Jahr zuvor entdeckt wurde. Diese These konnte aber nicht bestätigt werden und so ist man heute der Ansicht, es könnte sich bei der großen Gasblase, welche den bzw. die cluster umgibt, um Überreste von Materie aus Sternwinden und Supernovae handeln [8]. Seit dieser ersten Untersuchung in den sechziger Jahren durch Hodge, geriet dieses Objekt kurioserweise lange in Vergessenheit. Schon ungewöhnlich, denn wir haben es hier immerhin mit einem knapp 17mag hellen (V-Band) Objekt zu tun, welches sich in unserer kosmischen Nachbarschaft befindet (Entfernung ~5,5 Mpc). Das dieses Objekt übersehen wurde, könnte zwei Gründe haben. Zum einen befindet sich die Galaxie nur 12° vom galaktischen Äquator entfernt. Dies bedeutet immerhin eine absorptionsbedingte Extinktion von 1,48 Größenklassen und ein relativ dichtes Vordergrundsternfeld was zu dem die Untersuchungen erschwert. Ein anderer Grund für dessen „heimliche Existenz“ könnte sein, dass dieses Objekt auf bodengebundenen Aufnahmen nur schwer von einem auf der Sichtlinie gelegenen Vordergrundstern zu unterscheiden ist, welcher scheinbar genau neben dem cluster zu sehen ist (siehe auch unter dem Punkt „visuelle Beobachtungen“).

Das Kästchen markiert NGC 6946-1447 sowie den dicht benachbarten Vordergrundstern. NGC 6946, aufgenommen vom Spiegelteam (Volker Wendel, Roland Eberle, Stephan Eisenhauer) an einem 15"f5,2-Newton auf TP6415hyp, 45 Minuten Belichtungszeit.

Erst Ende der 90er Jahre rückte das Objekt wieder ins astronomische Rampenlicht. S.S. Larsen und T. Richtler suchten in 21 nahgelegenen Galaxien nach jungen massereichen Sternhaufen [9]. Sie wurden in vielen Fällen fündig. Darunter auch in NGC 6946 wo sie ca. 100 Objekte unterschiedlichen Alters (1-33 Millionen Jahre) lokalisierten. Ein Objekt ragt mit einer absoluten Helligkeit von –13mag v aus den übrigen Sternhaufen heraus: NGC 6946-1447. Der nur 15 Millionen Jahre alte cluster besitzt rund eine Million Sonnenmassen (allerdings habe ich auch Werte bis etwa 3 Millionen Sonnemassen in verschiedenen Publikationen gefunden). Dies ist vergleichbar mit 47 Tuc (~3 Millionen Sonnenmassen) und W Cen  (1,3 Millionen Sonnenmassen), den massereichsten Kugelsternhaufen der Milchstraße. Die Größe des Objekts differiert allerdings erheblich von den anderen beiden Haufen. Mit einem Durchmesser von etwa ca. 13pc (obwohl es schwierig ist, die Peripherie zu bestimmen) ist dieses Objekt gut doppelt so groß wie 47 Tuc und um ein Vielfaches größer als die meisten alten Kugelsternhaufen in unserer Galaxie welche durchschnittlich etwa 3 pc Durchmesser besitzen. Gemeinsamkeiten zu den großen galaktischen Kugelsternhaufen gibt es allerdings wieder bei den Radien der recht kompakten Kerngebiete der Haufen. Bei NGC 6946-1447 finden wir ein dichtes Kerngebiet von etwa 1,3 pc Durchmesser. Dies liegt genau zwischen 47 Tuc (0,46pc) und dem locker gestreuten W Cen (3,8 pc) [9]. Die Sterndichte in diesem zentralen Bereich ist etwa vergleichbar mit der in dem Sternentstehungsgebiet im Orion-Trapez. Die Dichte nimmt aber außerhalb des Zentrums stark ab und reguliert sich auf 1/50stel dieses Wertes wenn man den Haufen als Ganzes sieht. NGC 6946-1447 ist etwa 4,4 kpc vom Zentrum der Galaxie entfernt und befindet sich somit am äußeren Rand der Galaxie, was die Frage aufwirft, warum das Objekt gerade in dieser Region am äußersten Ende der Galaxie entstanden ist [10].

Der junge Kugelsternhaufen in NGC 6946 zählt zu den uns nächstgelegenen Vertretern seiner Art und kann deswegen recht detailliert untersucht werden. Die Aufnahmen des HST lassen schon Einzelsterne in den äußeren Bereichen erkennen. Weiterhin zeigen diese hochaufgelösten Aufnahmen einen kleinen Begleiter in nordöstlicher Richtung. Die Tatsache, dass sich NGC 6946-1447 in einer Spiralgalaxie gebildet hat, macht ihn zusätzlich interessant. Die Bildung von solchen „Kugelsternhaufenkonglomeraten“ ist bisher überwiegend in Starburstgalaxien oder in Mergergalaxien gefunden worden, wo sie aufgrund der naturgemäß auftretenden gravitativen Veränderungen und den daraus resultierenden Sternentstehungsprozessen geboren werden. Nach neuesten Untersuchungen könnten sogenannte ultradense H II regions (UDHII) als Vorläufer für diese cluster in Frage kommen [11]. Wie der Name schon sagt, handelt es sich hierbei um sehr kompakte Emissionsgebiete welche aber noch  kaum erforscht sind. Man nimmt an, dass die zeitliche Dauer des SSC in diesem Stadium (als UDH II Region) etwa 10-15% seiner Gesamtlebensdauer beträgt. Diese UDH IIs sind zunächst nur im Radiobereich erkannt worden, doch gibt es auch optische Gegenstücke. Von 16 im Radiobereich gefundenen Quellen in NGC 6946 vermutet man in der Hälfte der Fälle auch optisch sichtbare Komponenten. Durch die umgebende Gasmasse ist es schwierig diese kompakten Emissionsgebiete optisch zu verifizieren. Zukünftige Untersuchungen im Infrarotbereich sollen die Kinderstube der SSC weiter erforschen.

Die visuelle Beobachtung im Amateurteleskop

Wie bereits erwähnt und natürlich auch Grundlage dieses Artikels, ist die visuelle Beobachtungsmöglichkeit dieses ungewöhnlichen Objekts. Vorteilhaft zum einen ist natürlich eine Helligkeit von 16,91 mag v, was die Sichtbarkeit auch in kleineren Teleskopen als mit dem von mir verwendeten 50cm Newton-Dobson möglich machen sollte. Zum anderen  erleichtert die Position im sternärmeren Gebiet am Rand der Galaxie die amateurastronomische Beobachtung erheblich. Stände dieses Objekt im hellsten zentralen Gebiet, würde es kaum visuell zugänglich sein- es würde schlichtweg überstrahlt. Diese Problematik kenne ich von den zentrumsnah gelegenen M 82- und NGC 1569- clustern, welche sich kaum von einem sehr hellen Hintergrund abheben und daher sehr schwierig zu beobachten sind. In [12] werden weitere Beobachtungen von Richard Jakiel vorgestellt. Einen ersten Versuch der Beobachtung des Kugelhaufens in NGC 6946 unternahm ich während des Vogelsberger Teleskoptreffens im Mai 2001. Dies geschah knapp zwei Monate nach dem Bericht in [3], durch den ich auf dieses Objekt aufmerksam geworden bin. Zum Einsatz kam, wie bereits erwähnt, mein 50cm Newton-Dobson Teleskop. Die stellare Grenzgröße im Beobachtungsgebiet dürfte knapp oberhalb der 6ten Größenklasse gelegen haben. Auffällig war das für die zweite Nachthälfte typische gute Seeing. Die Galaxie war bereits bei 107facher Vergrößerung recht gut incl. Spiralarmstruktur zu erkennen. Nun galt es die besagte Stelle im Westteil zu lokalisieren. Dies konnte ohne Mühe erfolgen und nun steigerte ich die Vergrößerung. Bei 324facher sowie 432facher Vergrößerung war nur noch ein Teil der Galaxie im Blickfeld. Erstaunlich einfach konnte ich innerhalb der besagten Verdichtung im Spiralarm ein „Doppelstern“ erkennen. Die hellere Komponente war ohne Zweifel der Vordergrundstern und daneben war NGC 6946-1447 direkt und dauernd zu sehen. Die Sichtung war weitaus einfacher als zuvor eingeschätzt. Die Beobachtung konnte auch ohne große Mühe von Beobachtungskollege Frank Richardsen bestätigt werden.

Fazit:

Für mich persönlich ist es hochinteressant ein recht ungewöhnliches, vermutlich wenig oder gar nicht frequentiertes Himmelsobjekt einer ohnehin in Amateurkreisen kaum wahrgenommenen Objektgruppe (SSC) beobachtet zu haben. Auch die kurze zeitliche Abfolge von der professionellen Entdeckung bis zur „eigenen Entdeckung“ dieses Objekts macht die Sache auch abseits aller Astrophysik für mich sehr reizvoll.

 

[1]   Veit, K.: OdS, interstellarum 4, 41 (1995)

[2]   Bohle, J.: Die H II Regionen in NGC 6946, Magellan 4, 49 (1999)

[3]   Sterne und Weltraum, Brennpunkt, 3, 213 (2001)

[4]   Bohle, J. : Magellan 1/ 2000 : NGC 1569- zwei Supersternhaufen

[5]   Bohle, J. ; VdS Journal Sommer 2000 : Extragalaktische Kugelsternhaufen

[6]   Bohle, J. : Die Superstarcluster in M 82, Sternzeit 3 /2001,

[7]   Hodge, P.W. : A possible Super-SNR in NGC 6946, PASP, 79,29 (1967)

[8]   Elemengreen, B.G., Efremov, Y. N., Larsen, S.: A young globular cluster in the galaxy NGC 6946, ApJ 535, 748 (2000)

[9]    Larsen,S.S., Brodie, J. P.: Structure and mass of a young globular cluster in NGC 6946, ApJ 556, 80 (2001)

[10]  Larsen,S.S., Richtler, T.: Young massive star clusters in nearby galaxies. I. Identification and general properties of the cluster systems, A&A, 345,461, (1999)

[11] Johnson, K.E, Kobulnicky H. A.,Massey, P. und Conti, P.S.: A sample of clusters of extragalactic ultra compact H II regions. (2001)

[12] Jakiel, R.: "A tour of extragalactic globulars" in the October 2001 feature column "Deep Sky Notebook" Vol 102, No. 4, pp. 115 -117

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