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Sehen oder nicht sehen...

Jens Bohle

 Mal ehrlich, wer hat sich nicht auch schon über so manchen visuellen Beobachtungsbericht gewundert, in dem die schwächsten Objekte am Rande der Wahrnehmung erhascht wurden. Womöglich sieht da ein anderer Beobachter mit einem kleineren Scope mehr als man selbst. Da kommen einem schon gewisse Zweifel... Die sind sicher berechtigt, aber Beobachtung ist eben nicht gleich Beobachtung. Also woran liegt es, dass einige Sternengucker mehr sehen als andere? Es gibt einige Faktoren, die solche "Ungereimtheiten" (ich nenne es mal so) zustande kommen lassen. Ich möchte hier keine Anleitung zur Beobachtung geben, jedoch versuche ich zu erklären, woran es liegen kann, dass die Beobachtungsergebnisse teilweise sehr unterschiedlich ausfallen.

  Die Beobachtungsbedingungen  

Zunächst muss man die Bedingungen vor Ort (bzw. am Himmel) ermitteln. Man könnte eine grobe Einteilung wie etwa Stadthimmel, Landhimmel oder Alpenhimmel festlegen, doch dies ist sehr ungenau zumal sich diese Einteilungen auch überschneiden können. Aussagekräftiger ist die sogenannte fst-Bestimmung (fst = faintest star). Sie bestimmt die Helligkeit, des schwächsten mit bloßem Auge sichtbaren Sterns. Aber diese Bestimmung ist auch subjektiv. Als Beispiel: Der unerfahrene Sternfreund sieht am Beobachtungsort Sterne bis 5,5mag mit bloßem Auge. Der erfahrenere Beobachter erkennt an diesem Abend am gleichen Beobachtungsplatz hingegen Sterne bis 6,5mag oder mehr (selbst erlebt). Da liegt schon mal eine "kleine Welt" dazwischen wenn es gilt die Beobachtungsbedingungen zu beschreiben. Außerdem gilt hier zu definieren, wann ein Stern als gesehen eingestuft wird. Ich sehe einen Stern, wenn er sich bei indirektem Sehen auf meiner Netzhaut mehrmals abbildet- andere Beobachter definieren Sehen vielleicht anders; vielleicht die dauernde direkte visuelle Erfassung des angepeilten Sterns ohne lange hinschauen zu müssen. Allerdings muss man auch ehrlich zu sich selbst sein, denn ein x-mal angepeilter Stern, dessen Helligkeit und Position man schon aus dem "FF" kennt, lässt sich nun mal leichter sichten als ein weniger "frequentierter" Stern. Ebenso kommt es darauf an, in welchem Himmelsareal die fst-Bestimmung durchgeführt wird. Im Zenit, im zirkompularen Sternbild Kleiner Bär (Polsequenz) oder im zu beobachtenden Areal (Sternbild). Auch da können schon Differenzen auftreten und ein und die selbe Nacht kann bezüglich Himmelsqualität völlig unterschiedlich bewertet werden. Sinnvoll ist natürlich die Bestimmung im dem zu beobachtenden Himmelsausschnitt. So kann es nicht zu Missverständnissen bei Schilderungen kommen und gemachte Beobachtungen lassen sich besser vergleichen. Etwas objektiver ist die mittlerweile etablierte Methode der Messung der Himmelshelligkeit mittels Messgerät (Sky Quality Meter , kurz SQM) bei der die Himmelshelligkeit in Magnitude pro Quadratbogensekunde gemessen wird Daraus kann dann ungefähr der fst-Wert abgeleitet werden.

 

 

 

Das Instrumentarium

                                   Das verwendete Instrumentarium kommt als Faktor auch ins Spiel. Z. B. ist ein 8 Zoll Newton  sind nicht gleich ein 8 Zoll Newton. Unterschiedliche Spiegelqualitäten (Oberflächengenauigkeit bzw. Reflektionsgrad der Verspiegelung) können schon zu verschiedenen Ergebnissen führen. Auch im Deep Sky- Bereich möchte ich gerade bei Beobachtungen im min AP Bereich (höchste Vergrößerung), eine gute Oberflächenqualität der Spiegel nicht missen (Spiegel als billige Lichtsammler... ein alter Hut). Schlechte Teleskopoptiken zeigen ein verschmiertes Bild wo mit einer guten Optik noch Abstufungen im Kontrast, also feinste Details, zu erkennen sind. Auch die Okularwahl bringt unterschiedliche Ergebnisse. Das werden die Planetenbeobachter bestätigen können, denn sie vertrauen möglichst einfach aufgebauten Okulartypen um ein Maximum an Transmission und Schärfe zu erlangen. So konnte ich bei einer Beobachtung einer schwachen Galaxie (~14mag) mit einem 20cm Teleskop die Sichtung nur in einem Okulartyp bestätigen. Das andere Okular mit höheren Transmissionsverlusten zeigte das Objekt eindeutig nicht! Eine entspannter Einblick ins Okular kann das "Sehergebnis" auch enorm beeinflussen. Noch wichtiger ist die exakte Justierung des Fernrohrs. Mit einem dejustierten Scope wird man eben nicht soviel erkennen, wie mit einem ordentlich justierten Teleskop. Die Justage sollte also genau möglichst stabil sein. Ein weiteres bestimmendes Moment, welches gemachte Beobachtungen nicht un- bedingt vergleichbar macht, ist folgendes: Ist das Scope ein Dobson (also azimutal montiert), oder ist es parallaktisch montiert? Das ist ein enormer Unterschied, von dem ich mich erst selbst überzeugen lassen musste! Nach meinen bisherigen Erkenntnissen sieht man im min AP- Bereich (Maximalvergrößerung) z.B. mit einem parallaktisch (also motorisch) nachgeführten 16 Zoll Teleskop mehr, als in einem azimutal montierten 20 Zoll Teleskop! Dies gilt besonders, wenn man Eindrücke am Teleskop zeichnerisch dokumentiert. Auch die mechanische Stabilität kann Wahrnehmungen beeinflussen. Ein schlecht nach- zuführendes Teleskop (ruckeln oder wackeln) kann kein entspanntes beobachten ermöglichen.

 Der physische Faktor

Dann ist es auch wichtig, wie man sich im Moment der Beobachtung fühlt. Ist man ausgeschlafen oder hat man die Nacht zuvor auch schon ausgiebig beobachtet? Hat man am Morgen zuvor ausgeschlafen oder hat man vielleicht einen anstrengenden Arbeits- oder Schultag hinter sich? Des weiteren: Wann wurde die Beobachtung durchgeführt- in der ersten oder zweiten Nachthälfte? Mit fortschreitender Stunde lässt die Aufmerksamkeit nach (mein Tipp: regelmäßige Pausen während der Beobachtungsnacht). Ein "frischer" Beobachter ist einem müden oder leicht erschöpften Sternengucker um einiges voraus (ganz besonders bei anstrengen Beobachtungen im Limitbereich). Die Aufmerksamkeit lässt auch bei Minusgraden nach (vor allem wenn man schon kalte Füße hat!). Dann kommt es darauf an, ob man während der Beobachtung sitzt oder steht. Sitzen ist wesentlich entspannter. So kann man länger unverkrampft nach dem Objekt suchen bzw. es betrachten. Wer einmal länger auf einer Leitersprosse stehend, verzweifelt nach einem Objekt gesucht hat, weiß wovon ich rede...

Andere beeinflussende Faktoren sind eventueller Alkohol- oder Nikotingenuss vor der Beobachtung. Das macht viel aus. Ich bin mir sicher, dass eine gute körperliche Fitness und der Verzicht von Nikotin/Alkohol oder Kaffee (zumindest während oder vor der Beobachtung) mehr Wahrnehmung beschert.

 Die Beobachtungserfahrung  

Nun kommt der Punkt, der sich für mich am schwierigsten in Worte fassen lässt: Die Beobachtungserfahrung. Schon bei der Beobachtungstechnik am Fernrohr machen sich ebenfalls Unterschiede in den Ergebnissen bemerkbar. Z. B. kann ausgiebiges experimentieren mit Vergrößerungen zum Beobachtungserfolg führen, im Nachteil ist derjenige, der die jeweiligen Seeingverhältnisse nicht der teleskopischen Leistung anpasst. Ein weiterer Faktor ist die Dunkeladaption. Hier werden erfahrungsgemäß auch unterschiedliche Maßstäbe angesetzt. Um in den Grenzbereich zu gehen und eben alles an Informationen "aufzusaugen", sollte man auf jegliche Beleuchtung verzichten (auch keine rote Taschenlampe!). Nur dann kann sich das Auge für die schwächsten Objekte öffnen. Extrafoveales (indirektes) sehen oder "field sweeping" auch "scope swinging" (leichtes bewegen des Fernrohrs) genannt, sind nicht Jedermann/Frau vertraut. So kann es schon wieder zu gravierenden Differenzen bei den Beobachtungsergebnissen kommen. Ein erfahrener Beobachter wendet diese Techniken automatisch an und ist damit im Vorteil. Etwas ernüchternd mag  für manchen Sternfreund die visuelle Beschreibung einiger Himmelsobjekte sein. Da wird von "gleißend hell",  "easy viewing" oder "leicht machbar" etc. gesprochen. Man selbst hat diese Objekte aber ganz anders erlebt. Als Erklärung vielleicht folgendes Beispiel: Stell dir, vor du sitzt das erste mal in einem Ferrari und spurtest mit Tempo 280 über die Autobahn- ein Wahnsinnstempo. Fragt man den professionellen Rennfahrer, wird er über dieses Tempo vielleicht nur müde lächeln. "280km/h- und das nur gerade aus? - "leicht machbar". Ebenso verhält es sich bei der visuellen Beobachtung. Nur wer schon die Grenzen der eigenen Wahrnehmung erfasst hat, kann weitere Beobachtungen taxieren. Man weiß dann z. B. wie eine 14mag Galaxie im 8 Zöller aussieht und könnte dann  eine 13mag Galaxie als hell bezeichnen. Derjenige, der eine 13mag Galaxie in einem solchen Teleskop erstmals sieht, würde diese Galaxie als schwach bezeichnen. Kurz: Viele Beobachtungen unterschiedlichster Objekte erlauben das relativieren der gesammelten Eindrücke- nur so kann man sich ein Urteil bilden. Die genannten Punkte gelten ganz besonders, wenn man an die Grenzen der Machbarkeit vordringen will, sei es ein Objekt überhaupt zu sehen oder Details in einem schon aufgefundenen Objekt zu erkennen. Dann gewinnt die Quantifizierung der möglichen Beobachtungsfehler (was ist real- was Einbildung?) an Bedeutung!

Resümee

Das Konglomerat aus all diesen Faktoren erklärt meiner Meinung nach die teilweise stark unterschiedlichen Ergebnisse der visuellen Deep Sky- Beobachtungen. Aber auch wenn der eine Sternfreund mehr sieht als der andere, den Spaß bei der Beobachtung von Himmelsobjekten sollte dies keinen Abbruch tun!

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