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PN-challenges Jens Bohle Planetarische
Nebel gehören sicher zu den meistbeobachteten Objekten am Himmel. Die
klassischen PN wie M 57 oder M 27 sind aufgrund ihrer enormen scheinbaren
Helligkeit und Detailfülle sicher jedem Sternfreund geläufig. Zum Auftakt der
neuen Rubrik "Deep Sky Challenger" in interstellarum möchte ich
einen PN vorstellen, der allerdings keinen spektakulären Anblick im Fernrohr
bieten kann. Spektakulär ist in diesem Fall die Sichtung an sich. Das Objekt
ist eine absolute Herausforderung für den visuell beobachtenden Sternfreund und
sicher auch für Astrofotografen ein anspruchsvolles Ziel und kann in der
zweiten Nachthälfte in den Wintermonaten optimal beobachtet werden. Da wo man sonst nur Galaxien beobachtet,
befindet sich einer der am schwersten zu beobachtenden Planetarischen Nebel überhaupt:
Longmore Tritton 5 (PK 339+88.1). Er befindet sich 2° südlich des Coma
Galaxienhaufens und nur 1,5° vom galaktischen Nordpol entfernt, was ihn zum PN
mit der höchsten galaktischen Breite macht. Nicht zu verwechseln ist LoTr 5 mit
dem Planetarischen Nebel PK 49+ 88.1, der mitten "im" respektive
genau vor dem Coma Galaxienhaufen steht. Entdeckt wurde LoTr 5 in den späten
Siebzigern von A.J. Longmore und S.B. Tritton auf Platten, welche am U.K. 1,2m
Schmidt Teleskop erstellt wurden. Nach einem ersten survey von 200
blauempfindlichen Aufnahmen von Longmore im Jahre 1977 konnten 17 neue PN
entdeckt werden [1]. Die Suche nach weiteren ultraschwachen PN auf diesen
Platten wurde dann zwei Jahre später zusammen mit Tritton fortgesetzt [2]. Bei
ihrem visuellen Scan fanden sie neben LoTr 5 noch 10 weitere Objekte. LoTr 5 ist
dabei der einzige PN, den wir von unseren Gefilden wohl beobachten können, denn
die anderen Objekte befinden sich am Südhimmel oder zumindest zu südlich, um
sie, bedingt durch niedrige Deklinationen, in unseren Breiten visuell beobachten
zu können. Nach spektroskopische Messungen durch David
Allen am AAT konnten die O[III] - Linien bei 495.9nm und 500.7nm, wenn auch
schwach, in LoTr 5 nachgewiesen werden. Somit wurde das Objekt als PN erkannt.
Fehlidentifikationen sind bei Emissionsobjekten keine Seltenheit, so wurde z. B.
der recht schwache SNR CTB 1 im Sternbild Cepheus zunächst als PN interpretiert
und hat deswegen auch eine Abell Designation (Abell 85). LoTr 5 gehört zu den recht großen
Planetarischen Nebeln (siehe auch das PN-Projekt
der Fachgruppe Deep Sky). Mit 560*490 Bogensekunden Größe übertrifft er z.B.
den Hantelnebel um einige Bogensekunden (Halostrukturen nicht berücksichtigt).
Diese Größe deutet schon auf geringe Flächenhelligkeit hin. Er gehört zu
einer ganzen Reihe ähnlich schwacher PN die in [3] vorzüglich zusammengefasst
sind. Schaut man sich den PN auf den DSS POSS I + II Aufnahmen an, so wird man
nichts sehen. Vielleicht ist der Nebel auf den Originalplatten erkennbar.
Bedenkt man, dass die POSS Aufnahmen bis hinunter zu 26,5mag/ "² im Blauen
abbilden, dann kann man sich eine Vorstellung über die "Helligkeit"
des Objekts machen. An der Position des PN fällt auf den POSS Aufnahmen
lediglich ein recht heller Stern auf. Dieser 8,7- 8,9 mag (variabel) helle
Stern, der schon in der Bonner Durchmusterung katalogisiert ist, wurde nach
Entdeckung des PN zunächst für den Zentralstern gehalten. Es wäre der hellste
bekannte Zentralstern eines PN überhaupt gewesen. Tatsächlich ist es aber so, dass
der echte Zentralstern zusammen mit dem erwähnten Stern ein Binärsystem
bildet. Der echte Zentralstern ist einer der heißesten derzeit bekannten
Unterzwergsterne.
Der
PN auf einer POSS I – Aufnahme (rot). Trotz Histogramm-Stretching ist der Nebel nur
schwer zu erkennen. Aufnahme
aus [1] Wenn man die o.G. Umstände abwägt, sollte
man kaum glauben, dass der PN visuell zu beobachten ist - aber er ist es! Bezüglich
der stellaren Grenzgröße kann der visuell beobachtende Amateur natürlich
nicht mit den POSS - Aufnahmen konkurrieren, bei den Flächenhelligkeiten hat
der visuell beobachtende Amateurastronom schon bessere Karten. Hier entscheidet
primär der dunkle Himmelshintergrund in Verbindung mit der gewählten
Austrittspupille am Teleskop um geringste Flächenhelligkeiten wahrzunehmen. Die
Möglichkeit der Linienfilternutzung bringt dem Amateur in diesem Fall weiteren
Nutzen, wenn auch, wie bereits erwähnt, die O[III] - Emissionen nicht sehr
ausgeprägt sind. Mittlerweile sind einige positive Sichtungen, vornehmlich aus
den USA, bekannt. Störend ist der recht helle scheinbare
Zentralstern, der die Beobachtung durch seinen starken Glow arg behindert.
Essentiell bei Beobachtungsversuchen dieses PN ist natürlich ein dunkler Himmel
(fst + 6,5mag) und eine Superdurchsicht! Leichteste künstliche
Himmelsaufhellungen lassen jeden Beobachtungsversuch scheitern, da sich die
Helligkeit des PN nur gering vom Himmelshintergrund abhebt. Meine erste
Beobachtung des PN gelang mir mit meinem 50cm Dobsonteleskop während des ITV
1999 in einer überdurchschnittlich guten Nacht (zwei Stunden Rückseitenwetterlage
mit fst 6,8mag Polsequenz). Bei 6mm AP und 84facher Vergrößerung sowie O[III]
- Filtration konnte ich den PN anhand des Vergleichs zu den beiden etwa
gleichhellen Sternen nördlich und südlich des Zentralsterns (beide auch so um
9mag) als diffusen Schimmer bei Bewegung des Scopes sehen (siehe auch [4]).
Andere Beobachter, sowie die Entdecker, beschreiben den PN als runde diffuse
Aufhellung die zum Zentrum heller erscheint. Die exzellente Homepage von Doug
Snyder [5] dokumentiert weitere Sichtungen mit unterschiedlichen Teleskopöffnungen. Als kleinen Blick über den Tellerrand,
sozusagen als "Challenge hinter der Challenge" möchte ich noch zwei
schwache Hintergrundgalaxien erwähnen, die durch den PN hindurch scheinen (die
hellere, NGP9 F379-0044440, ist 18,09mag hell). Wer mit einem sehr großen
Teleskop (30Zoll) den PN visuell anvisiert könnte da sein Glück versuchen. Ich denke, dass LoTr5 auch für den
versierten Astrofotografen, der die ausgetreten Pfade bereits verlassen hat,
interessant wäre. Bisher kenne ich noch kein Amateurfoto dieses interessanten
PN. Name:
LoTr 5 (PK 339+88.1) Typ: Planetarischer Nebel Größe: 560" * 490" Sternbild: Coma Koordinaten (2000.0): RA 12,55.6 h
DEC +25,53°
Literaturhinweise: [1] Longmore,
A.J.; MNRAS 1977 178,251: New and known planetary nebulae on plates taken with
the U.K. 1,2 m Schmidt telescope [2]
Longmore, A.J und Tritton, S.B.; MNRAS 1980,193, 521-524: A second list ofnew
planetary nebulae found on the U.K. 1,2 m Schmidt Telescope plates [3]
Brazell, Owen; Deep Sky Observer 120 : Where is the edge in PN observing? [4]
Bohle, Jens; Magellan 3: ITV ´99
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